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Biotech-Experte Prof. Josef Penninger. HZI Presse

„Wir wollen radikal neuartige Therapien entwickeln“
10 Fragen an Josef Penninger

Prof. Josef Penninger ist seit Juli der neue Wissenschaftliche Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI). Als internationaler Star der Molekularbiologie und Genetik und erfolgreicher Biotech-Firmengründer in Nordamerika hat er ein klares Ziel formuliert: Braunschweig soll das beste Zentrum für Infektionsforschung der Welt werden.

Das Rezept: Die besten jungen Köpfe der Welt verpflichten, radikal neue Technologien entwickeln, Biotech-Unternehmen mit erheblichem Wachstumspotenzial gründen. Mit Standort38, dem Entscheider:Innen-magazin für die Region, sprach Penninger auch über die drei großen Herausforderungen der Lebenswissenschaften in Europa - und was seine Strategie für den Weg an die Spitze mit dem FC Barcelona gemeinsam hat.

Herr Penninger, Sie sind herausragend an vielen medizinischen Fronten aktiv. Nach dem Top-Job – der Leitung des Life Science Institute an der University of British Columbia – übernehmen Sie jetzt die Leitung des HZI. Hat da manch einer nicht gefragt: Herr Penninger, warum gehen Sie jetzt nach Braunschweig?

(lacht) Während meines Job-Interviews für das HZI hat einer gesagt: „Der kommt sowieso nicht. Der war in Wien, ist jetzt in Vancouver, warum sollte er dann nach Braunschweig kommen?“ Das war etwas witzig. Da habe ich gesagt: Bietet mir mal den Job an und dann schauen wir weiter.

Die Frage dahinter ist ja: Übersehen wir hier manchmal die Leistungen und das Standing unserer wissenschaftlichen Einrichtungen, die offenbar auch internationale „Star“-Wissenschaftler wie Sie anziehen?

Ehrlich gesagt: Ich kenne das Zentrum seit seinen Anfangstagen recht gut und verfolge die Entwicklung hier schon lange. Der Helmholtz-Verbund ist eine der größten Forschungsorganisationen in Europa und hat definitiv ein internationales Standing. Ich fand es überzeugend, dass das HZI einen ganz klaren Fokus hat. Und momentan, da global gesehen unheimlich viel Geld in die Forschung fließt – von Investoren, reichen Privatleuten und Regierungen – ist es sehr wichtig, dass man einen Fokus hat.

Sie möchten den wissenschaftlichen Fokus noch viel mehr stärken und streben an, das HZI zum besten Zentrum für Infektionsforschung in der Welt zu machen.

Ja, das ist absolut die Position, die ich anstrebe.

Biotech-Experte Prof. Josef Penninger. HZI Presse
Josef Penninger möchte das HZI zum weltweit besten Zentrum für Infektionsforschung machen und die Gründung von vielversprechenden Biotech-Unternehmen fördern.

„Wir verpflichten junge Talente, geben ihnen Spielräume und Vertrauen. Und ein paar von denen werden dann zu Superstars!"

Prof. Dr. Josef Penninger

Zu diesen Schritten gehört auch die personelle Aufstockung des HZI. Sie wollen das Institut mit den besten jungen Köpfen der Welt auffrischen. Werden die Besten auch kommen?

Wir hoffen natürlich, dass die besten Köpfe kommen. Manche werden nicht kommen. Das HZI ist aber so gut aufgestellt, dass diese Leute sich ernsthaft mit uns beschäftigen werden. Uns geht es vor allem um die jungen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. Superstars zu holen ist immer schwierig. Ich orientiere mich eher am alten FC Barcelona: Junge Talente verpflichten, denen Spielräume geben, ihnen vertrauen. Und ein paar von denen werden dann zu Superstars!

Über wie viele Wissenschaftler reden wir?

Wir wollen hier in Niedersachsen um mehr als 20 Personen wachsen, vor allem mit Hilfe der Bundes- und Landesregierung. Diese Auffrischung ist essenziell, denn sie wird die Forschung der nächsten 20 Jahre an diesem Standort definieren.

Das Gebäude des Biotech -Zentrums HZI. HZI Presse
Das HZI ist auf dem Gelände des Science Campus Braunschweig-Süd in Stöckheim beheimatet.

Wie sehen Sie hier das Umfeld für Firmengründungen?

Es ist ein anderes Umfeld als Nordamerika. Dort trauen sich die Leute viel eher, eine Firma zu gründen, während man sich in Europa fragt, warum in aller Welt man den sicheren Arbeitsplatz aufgeben soll.

Woran liegt das?

Das Hauptproblem ist die Kultur. In Österreich wird man schief angeschaut, wenn man als hehrer Wissenschaftler eine Firma gründet. Aber genau das brauchen wir. Die Anschubfinanzierung funktioniert hier in Deutschland mittlerweile gut, aber wenn Start-ups dann erfolgreich werden und wachsen müssen, fallen sie oft in ein finanzielles Loch. In Amerika können solche Firmen in die Nasdaq gehen und Kapital einsammeln. 

Ein anderes Thema: Warum entstehen im Vergleich zu dem sehr hohen Niveau, was wir in Braunschweig und Deutschland in der Grundlagenforschung haben, zu selten Präparate für die Anwendung in der Therapie – etwa bei Antibiotika?

Diese Frage hat zwei Antworten. In Bezug auf Antibiotika ist es so, dass man auf Seiten der Pharmabranche lieber in Gebiete investiert, die langfristige Medikamentengabe erfordern als in solche, wo eine Impfung oder ein Antibiotikum eine schnelle Lösung sind. Dabei, das übersieht man oft, sind Impfungen und Antibiotika entscheidende medizinische Durchbrüche, die dafür sorgen, dass wir heute auch mit über vierzig noch leben, was vor 150 Jahren nicht selbstverständlich war. In der Infektionsbiologie ist noch nicht so viel entstanden, wie möglich wäre.

Und der zweite Faktor?

Ist der Technologietransfer. Es hängt von vielen Kleinigkeiten ab, ob man erfolgreich ist oder nicht. Man kann das beste Produkt haben, aber an der Finanzierung scheitern. Ich hoffe, dass ich mit meiner Erfahrung dazu beitragen kann, dass wir das gut hinbekommen.

„Jetzt ist die perfekte Zeit, neue Technologien zu nutzen.“

Prof. Dr. Josef Penninger

Was gibt Ihnen Hoffnung?

Die Technologien, die in den letzten Jahren entwickelt wurden. Wir können jetzt die Genome von mehr oder weniger jedem Organismus nicht nur lesen, sondern auch ändern. Wir können die biologische Uhr von Zellen zurückdrehen, mit der Stammzellentechnologie Herzmuskeln oder Lungen entstehen lassen. Denken Sie nur an die Genschere CRISP-R, die hier am HZI mitentwickelt wurde und für die Emmanuelle Charpentier 2020 den Chemie-Nobelpreis bekommen hat. Das sind Entwicklungen, die extremes Potenzial haben und mir wirklich Hoffnung machen.